Der Name ‚Mormone‘ war ursprünglich ein Spottname und wird von der Religionsgemeinschaft nicht mehr benutzt. Sie führte 2018 die Bezeichnung ‚Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage‘ (HLT, englisch: ‚Latter-Day-Saints‘, LDS) ein, weil dieser Name direkt auf ihr Selbstverständnis hinweist. Allerdings herrscht im allgemeinen Sprachgebrauch ‚Mormonen‘ weiterhin vor.
Die HLT stellen heute die viertgrößte Kirche in den USA; dort befinden sich die Hälfte ihrer weltweit etwa 16 Millionen Anhänger. In Deutschland gibt es etwa 40.000. Die Gemeinschaft wurde im 19. Jahrhundert von Joseph Smith gegründet. Dieser berichtete über eine Erscheinung Gottes mit dem Auftrag an ihn, die vom Weg der Bibel abweichenden Religionen wieder zurückzuführen. Dabei sei ihm auch das heilige Buch Mormon mit seinen Offenbarungen übergeben worden.
Gehören Mormonen zu der christlichen Gemeinschaft?
In ihrer Selbstwahrnehmung gehören sie dazu, und zwar zu den wiederherstellenden Kräften, welche die Kirche zurück in Richtung Urkirche bewegen wollen. Auch legen sie die Bibel zugrunde, selbst wenn sie diese oft ganz anders als andere Religionsgemeinschaften interpretieren und das ‚Buch Mormon‘ ebenfalls als heilige Schrift betrachten, es sogar höher bewerten als die Bibel. In diesem Buch werden nicht nur Alltagsgeschichten früher Christen erzählt, sondern auch berichtet, dass Jesus das alte Amerika besucht habe.
In der Fremdwahrnehmung ist das anders. Nach der katholischen und evangelischen Kirche haben Mormonen nur noch sehr wenig mit dem christlichen Glauben gemeinsam; der Ökumenische Rat der Kirchen erkennt sie also nicht als Teil der christlichen Gemeinschaft an, sondern betrachtet sie als neue Religion.
Sind Mormonen also eine Art Sekte?
‚Sekte‘ bedeutet ‚abgespaltene Glaubensgemeinschaft‘. Legt man nur diese wertfreie Definition zugrunde, dann sind Mormonen eine Sekte. Es gibt aber keine eindeutige wissenschaftliche Definition und der Begriff ist umstritten. Umgangssprachlich wird er meist abwertend benutzt; in allen anderen Fällen spricht man eher von ‚Religionsgemeinschaft‘. Die abwertende Bedeutung bezieht sich zum Beispiel auf Manipulation von Mitgliedern, die dann einem Anführer blind folgen.
Zu einer negativen Beurteilung der Mormonen von außen haben verschiedene Faktoren beigetragen: strenge Regeln führen letztlich zu immer größerer Absonderung; mangelnde Transparenz entsteht auch dadurch, dass nur Ausgewählte Zugang zum Tempel haben und dass man über das, was im Tempel passiert, nicht redet.
Was glauben Mormonen?
Der Kern ihres Glaubens ist, dass Gott und Jesus Menschen waren, die durch ein moralisch gutes Leben Göttlichkeit erlangt haben; diese Möglichkeit stehe auch jedem Menschen offen. Jeder könne heilig und sogar göttlich werden, wenn er sich lebenslang an die Regeln halte. Nach dem Tode würden alle beurteilt; dabei würde festgestellt, wie hoch sie sich durch ihr Verhalten entwickelt haben; so sind sie ‚Heilige der letzten Tage‘.
Mormonen werden mit acht Jahren getauft, wobei man glaubt, dass mit ihnen alle ihre Vorfahren getauft werden. Ein wichtiger Ritus danach ist das ‚Endowment‘ im Alter von 18 Jahren, wo sie im Tempel ein göttliches Zeichen empfangen und man mit ihnen ein Wissen teilt, über das sie dann aber nicht sprechen dürfen. Nach dem Endowment tragen sie eine bestimmte Unterkleidung, ein weißes Gewand.
Was sind die Regeln bei Mormonen?
Es gibt viele Regeln, die möglichst streng lebenslang eingehalten werden sollen, um die Höherentwicklung zu gewährleisten. Zu ihnen gehören:
- Verbot schädlicher Substanzen: nicht nur Drogen, sondern auch Kaffee, Tee, Alkohol, Nikotin.
- Verbot von Sex vor der Ehe sowie sexueller Aktivität außerhalb der Ehe. Masturbation ist ‚Sünde‘.
- Abgabe des ‚Zehnt‘: ein Zehntel des Einkommens für die Kirche.
- Strenge Kleidungsregeln: konservativ, nicht freizügig, nicht zu leger.
- Tägliches Gebet: Dieses hat einen besonders hohen Stellenwert.
- Missionieren: Männer werden vor Berufsausbildung oder Studium etwa zwei Jahre in verschiedene Länder zum Missionieren geschickt; Frauen dürfen freiwillig teilnehmen. Für missionarisch Tätige gelten besondere Regeln, zum Beispiel ein Fernsehverbot; Frauen dürfen dabei erst jetzt auch Hosen tragen.
- Gemeinschaftsleben: Am Sonntag ist gemeinsamer Gottesdienst Pflicht, Kinder erhalten Religionsunterricht.
- Fasten: An jedem ersten Sonntag im Monat besteht Pflicht. Das dadurch gesparte Geld wird für Bedürftige gespendet.
- Ernährung: viel Gemüse und Obst, wenig Fleisch.
- Familienbild: klassisch. Der Vater arbeitet und verdient Geld, die Mutter versorgt die Kinder und den Haushalt.
- Diversität: Homosexualität wurde traditionell als widernatürlich und ‚Sünde‘ betrachtet; allerdings auch als Krankheit, die geheilt werden könne, was zu abenteuerlichen Therapien führte. Heute wird betont, dass man Diversität achtet, gleichgeschlechtliche Ehen werden aber abgelehnt.
Gibt es besondere Regeln für Frauen?
Der Gründer soll mit 40 Frauen verheiratet gewesen sein. Die ursprüngliche Polygamie muss im Zusammenhang mit dem Wunsch gesehen werden, möglichst viele Kinder zu haben. Nach 1890 wurde sie offiziell abgeschafft. Dem soll eine neue Offenbarung vorausgegangen sein; der Entschluss hängt aber auch mit der Gesetzgebung der Vereinigten Staaten zusammen. Dass dennoch Polygamie immer wieder mit Mormonen in Verbindung gebracht wird, liegt einmal daran, dass es mehrere fundamentalistische Zweige gibt, die weiterhin Polygamie pflegen.
Geändert hat sich dort nur, dass jetzt nicht nur Männer mehrere Frauen, sondern auch Frauen mehrere Männer haben dürfen. Zusätzlich wurde durch Medienberichte die „Fundamentalistische Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ 2006 einem breiten Publikum bekannt, als der Sektenführer aufgrund von Kindesmissbrauch und Verkuppelung von minderjährigen Mädchen mit älteren Männern verhaftet wurde.
Allgemein kann man sagen, dass bei Mormonen heute keine besonderen Regeln mehr nur für Frauen bestehen. Männer und Frauen müssen sich beide in ein konservatives Weltbild und ein klassisches Familienbild einfügen
Haben Mormonen besondere Symbole?
Das Kreuz gehört nicht dazu. Mitglieder tragen oft einen Ring mit der Aufschrift ‚CTR‘ (Choose The Right, wähle das Richtige). Der Bienenstock wird als Symbol ihres Fleißes angesehen.